04 Rote Karte für Sicherheitsfouls
Häufig werde ich auf Baustellen als “Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator”, kurz SiGeKo, tätig. Nimmt man diese Aufgabe ernst, ist sie oft nicht ganz einfach. Die Arbeit der Bauarbeiter ist körperlich anstrengend und die Rahmenbedingungen gekennzeichnet von Staub, Lärm, Dämpfen und Dreck in häufig beengten und unübersichtlichen Verhältnissen. Kein Wunder, dass zusätzliche, sicherheitsbedingte Maßnahmen oft als "Behinderung" und "Erschwernis" empfunden werden und die Akzeptanz der nicht nur sinnvollen sondern oft lebensrettenden Einrichtungen und Vorschriften nicht sehr hoch ist. Immerhin zählt das Baugewerbe nach dem Bergbau in Deutschland zu den gefährlichsten Gewerben mit der zweithöchsten Unfall-Todesrate! Dennoch ist der Widerstand, der den Sicherheitsregeln entgegengebracht wird, aus den geschilderten Gründen oder aus purer Bequemlichkeit oft erheblich. So fühle ich mich in meinem Bemühen um mehr Baustellensicherheit oft wie Don Quijote in seinem Kampf gegen die Windmühlen und kaum dreht man der Baustelle den Rücken zu, tanzen die Mäuse wieder auf dem Tisch. Während der Fussball-Weltmeisterschaft 2006 herrschte das Fieber auf der Baustelle - natürlich! Die Stimmung war gut, nur die Sicherheitsdisziplin ließ - wie so häufig - wieder mal zu wünschen übrig. Die Begeisterung der Bauarbeiter für die WM steckte mich als Nicht-Fussballer fast an und - ich hatte eine Idee:
Die gelb/rote SiGeKo-Karte war geboren.
Schon bei meiner nächsten Sicherheitsinspektion kam sie zum Einsatz. Kein Helm auf? Gelbe Karte! Zum dritten Mal erwischt? Die Rote! Die Wirkung war frappierend: Vor den üblichen Ausreden erst einmal ungläubiges Schmunzeln, Lachen, dann natürlich die übliche Diskussion um Sinn und Zweck des Helms, der Brille, der Sicherheitsschuhe, aber alles unter dem Eindruck eines ertappten Foulspielers. Kurz: Weniger Verbissenheit, mehr Einsicht.
Wat lernt uns das?
Die gelbe und rote Karte des Schiedsrichters ist eine Sprache, die jeder auf der Baustelle versteht. Der Eintrag in mein "schwarzes Buch" bleibt, und die Konsequenzen, die sich daraus ergeben ebenfalls. Aber die Betroffenen (und die Kollegen drumherum) nehmen es mit mehr Humor auf als vorher. Man lacht über das Mittel, vielleicht auch über mich, manchmal auch über den Ertappten, aber Tatsache ist: Sicherheit und der “verrückte SiGeKo” sind Thema auf der Baustelle. Trotz (oder vielleicht sogar wegen) des Humors, der in der ganzen Sache liegt, habe ich deutlich weniger Durchsetzungsprobleme in Bezug auf sicherheitstechnische Forderungen, als vorher.Statt Streit und hitzige Auseinandersetzungen ist es aus meiner Sicht viel entspannender und effizienter, wenn Kritik und harte Maßnahmen in etwas Humor verpackt werden, was durchaus nicht zu Lasten der Durchsetzungsfähigkeit gehen muss. Im Zweifelsfall steckt man die Dinger einfach wieder in die Tasche und kehrt zum sachlich-ernsten Ton zurück.