49 Rache ist süß
Die Baustelle, um die es hier geht, kennen Sie schon aus der vorangegangenen Episode. Dass der Chef nicht sakrosankt war, sondern bei gegebenem Anlass sein Fett abbekam, wissen Sie auch schon.
An einem anderen Tag traf es den Polier. Er war eigentlich ganz in Ordnung, aber ebenso wie der Firmeneigentümer gelegentlich etwas aufbrausend. Ursache des Zwischenfalls war ein etwas störrischer Betonkübel, der am Kranhaken hing. Wie schon geschildert, mussten die Hohlsteine des lose aufeinander gesetzten Mauerwerks in einem weiteren Arbeitsgang mit Beton ausgegossen werden. Der Mechanismus des Betonkübels hatte dummerweise die Eigenschaft zu klemmen. Die Menge des ausfließenden Betons ließ sich daher nur schwer kontrollieren. Hie und wieder kam es daher vor, dass eine Menge Beton über das Mauerwerk hinaus schoss und die Außenseite der Mauer versaute.
Als dies wieder einmal passierte, reagierte der Polier ärgerlich. Wütend stieß er den armen Tropf, der seine rechte Mühe mit dem störrischen Ding hatte, mit einem wenig schmeichelhaften Kommentar beiseite, schnappte sich den Kübel und manövrierte ihn zu der entsprechenden Stelle. Wieder klemmte der Mechanismus. Warum sollte er auch nicht? Nur weil jetzt der Polier daran zerrte? Wütend riss er ein paar Mal am Hebel. Die Mannschaft beobachtete gespannt. Plötzlich (und nicht ganz unerwartet) öffnete sich die Klappe - und diesmal gleich ganz. Der dünnflüssige Beton schoss in einem dicken Strahl heraus. Da sich die Öffnung nicht direkt unter dem Kübel sondern an der Seite befand, verursachte der ausfließende Beton einen beachtlichen Rückstoß. Der unsichere Stand des Poliers auf der offenliegenden Bewehrung der Decke tat ein Übriges und verhinderte, dass er den wild gewordenen Kübel wieder unter Kontrolle bekam. Schnell stand er bis über die Knöchel im frischen Beton. Der Kübel schwankte hin und her, teils durch seine Eigendynamik, teils durch das verzweifelte Gezerre des Poliers - und plötzlich hatte auch die Mannschaft ganz viel zu tun. Der eine hämmerte gebeugt sinnlos auf die Schalung ein, der andere zwirbelte an der ohnedies schon fertigen Bewehrung herum - und jeder schaute verstohlen auf das HB-Männchen. Erst als der gesamte Kübel sich entleert hatte, sprang einer in scheinheiliger Hilfsbereitschaft hinzu - zu spät. Der betroffene Blick und die bedauernde Geste der Hilflosigkeit wirkten fast überzeugend. Das HB-Männchen knallte mit einem Fluch den leeren Kübel zu und verließ mit großen Schritten sein Waterloo auf dem dritten Stock. Das Grinsen auf einem halben Dutzend Gesichtern hat er vermutlich nicht mehr gesehen.
Wat lernt uns das?
Seinen Zorn an Untergebenen unter dem Schutz hierarchischer Autorität auszulassen, ist nicht die feine Art. Selbst wenn offener Widerstand nicht zu erwarten ist, hat dieses Verhalten meist versteckte Auswirkungen, die nicht zum Vorteil der Firma gereichen. Fehlende Motivation, innere Kündigung, destruktives Verhalten, mangelnde Kooperationsbereitschaft, heimliche Sabotage sind die schwer erkennbaren und noch schwerer bekämpfbaren Folgen. Nicht oft gibt es Gelegenheit der betroffenen Mitarbeiter, ihren Unmut so offen und gleichzeitig so unangreifbar zu zeigen, wie in diesem Fall. Zum rechten Zeitpunkt nicht rechtzeitig zu handeln, den Vorgesetzten auflaufen zu lassen - und plötzlich sind sich alle einig! Wie will dieser Vorgesetzte seine Mitarbeiter noch motivieren, wenn er sich solche Schwächen erlaubt? Seine Aufgabe wäre es gewesen, für besseres Arbeitsgerät einzutreten - oder zumindest Verständnis für die daraus resultierenden Probleme zu haben. Was ist denn mehr wert, ein paar Eimer verschütteten Betons oder die Loyalität und das Engagement der Mitarbeiter?