19 Ein Rezept gegen Mobbing
(Aus meinem Leserbrief an "Focus" zur Ausgabe vom 22. Sep. 2008, Titelthema "Ärger im Büro")
Vor etlichen Jahren bin ich einmal in die Mobbing-Falle gegangen: Am ersten Tag als Hauptabteilungsleiter eines Bonner Dienstleistungsunternehmens im Bereich kommunaler Projektentwicklung stellte ich fest, dass mein Vorgänger sein Büro für mich hatte räumen müssen und jetzt in einer kleinen Kammer untergebracht war. Mein Angebot, bis zu seinem endgültigen Ausscheiden in seinem alten Büro zu bleiben, konnte / wollte / durfte er nicht annehmen. Am gleichen Tag sollte ich bereits von der Geschäftsleitung verfasste Abmahnungen an zwei meiner Mitarbeiter unterschreiben und nur mit Mühe gelang es mir, den Geschäftsführer davon zu überzeugen, dass dies ein schlechter Einstieg für einen Neubeginn in der Abteilungsführung sei, zumal ich weder die betroffenen Mitarbeiter noch die zugrundeliegenden Vorgänge kannte. Später stellte ich fest, dass der Geschäftsführer mit Einschüchterungen, persönlichen Angriffen auf die angeblich fehlende Kompetenz einzelner Mitarbeiter vor versammelter Mannschaft, Bestechung des Personalrats und vielen Abmahnungen regierte. Magengeschwüre, Kreislaufstörungen und andere Gesundheitsprobleme schienen mir auffallend hoch in der Firma und die Fluktuationsrate war enorm. Der Chef hatte in der ganzen Firma ein besonderes Klingelsignal der Telefone installieren lassen, so dass jeder sofort wusste, dass der Pascha rief, und wehe…
Nach kurzer Zeit war auch ich dran. Während einer Dienstfahrt - chauffieren musste immer ich - eröffnete mir der Geschäftsführer, dass er einen schwerbehinderten Mitarbeiter, der bereits seit über 20 Jahren in der Firma beschäftigt war, loswerden wollte. Ich bekam gezielte Anweisungen, wie dies stattfinden solte. Unter anderem sollte ich ihn täglich (!) aus seinem Einsatzort, der Niederlassung Koblenz, nach Bonn zitieren u.a.m. Als ich einige später Tage im Beisein des Personalchefs ein schriftliches Konzept vorlegte, wie ich diesen Mitarbeiter sinnvoll einsetzen wollte, hatte ich mich endgültig disqualifiziert. Wenig später forderte mich der Personalchef in einem Vier-Augen-Gespräch auf, auf Wunsch der Geschäftsleitung Anweisungen an meine Mitarbeiter zu geben, die im Widerspruch zur Betriebsvereinbarung und zu gesetzlichen Regelungen standen. Ich weigerte mich mit dem Hinweis darauf, dass ich befürchtete, mich strafbar zu machen. Ich bekam zu hören, dass "andere Kollegen" auf meiner Ebene "kooperativer" seien. Meine Bitte um eine schriftliche Arbeitsanweisung wurde, wie könnte es anders sein, mit dem Hinweis abgelehnt, ich wüsste doch, dass dies nicht ginge. Ja, das wusste ich.
Obwohl ich mich bis dahin für recht belastbar hielt, bemerkte ich bereits nach wenigen Monaten erste, ernste Stresssymptome: Ich konnte nicht mehr abschalten, auch die abendliche Joggingrunde am Rhein half nicht mehr, zunehmende Nervosität, Herzrhythmusstörungen, Angstträume, Schlaflosigkeit. Mittlerweile hatte der Personalchef gekündigt. Am ersten Tag des Arbeitsantritts des neuen Personalchefs stattete ich diesem einen Besuch in seinem Büro ab und legte ihm nach ein paar freundlichen Begrüßungsworten meine Kündigung mit den entsprechenden Erläuterungen auf den Tisch. Er war sichtlich schockiert. Bei einem abschließenden Gespräch mit dem Geschäftführer bekam ich neben einigen Unverschämtheiten zu hören, dass ich ihn ja sowieso nicht respektiert hätte. Auf meine Frage, wie er darauf käme sagte er, am soundsovielten Juni hätte ich ihm auf dem Weg zur Garage die Tür nicht aufgehalten.
Es war mir schwer gefallen, zum ersten Mal im Leben den Job hinzuschmeißen. Es war die beste Entscheidung meines Berufslebens! Bis heute verstehe ich nicht, dass solche Psychopathen jahrelang eine Firma leiten dürfen und der Aufsichtsrat dies nicht merkt oder merken will.
Wat lernt uns das?
Lass Dich nicht kaputt machen! Dreh Dich um und geh!
Aus dem Frust wird eine Lust,
wenn Du erst gekündigt hust!
(Ich weiß, Schiller war besser!)