09 Den Bock zum Gärtner machen, aber richtig!
Die folgende Geschichte stammt ausnahmsweise nicht von mir, sondern von einem Mann, von dem ich sehr viel an Lebensweisheit und Geschick im Umgang mit Menschen erfahren habe, B.L. Vashta (ausnahmsweise hier einmal der richtige Name), ein Multitalent in Sachen Zeitungsmanagement, Ayurveda, Marketing, Kommunikation, Journalismus, sozialem Engagement, Produktionsmanagement und Networking. Er hat den Bock zum erfolgreichen (!) Gärtner gemacht.
Vor langer Zeit wurde Mr. Vashta gebeten, das Management einer krisengeschüttelten Tageszeitung in einer der finstersten Ecken Bombays zu übernehmen. Damals hatten die Gewerkschaften in Indien nach seiner Schilderung durchaus mafiös zu nennende Strukturen und kämpften mit harten Bandagen, ähnlich den USA zu Beginn des 20. Jahrhundert. Das Unternehmen litt u.a. unter ständigen Sabotageakten und Drohungen gegen das Management. Ein Schraubenschlüssel, der in einem unbeobachteten Augenblick in die rasenden Druckmaschinen fiel, und schon gab es am folgenden Tag keine Zeitung. Sein Vorgänger hatte das Handtuch geworfen, als einer der Gewerkschaftsfunktionäre, nennen wir ihn Mr. Goonda, ein Messer in die Tischplatte rammte, und ihm den Krieg erklärte. Keine gute Basis für einen asketisch-schmächtigen Mann, dessen Waffen bis dato eher in Feder und Worten bestanden. Kein Basis?
Eine der ersten Amtshandlungen Mr. Vashtas bestand darin, Mr. Goonda zu einem Gespräch zu bitten. Bei der üblichen Tasse Tee schilderte der frischgebackene Geschäftsführer seine ganz persönlichen Sorgen, die düstere Gegend, seine schmächtige Figur, eine Unfähigkeit, sich im Notfall physisch verteidigen zu können etc. Dieser Teil des Gesprächs gipfelte darin, Mr. Goonda zu fragen, ob er, als kräftger Kerl, der sich hier schon lange auskenne, nicht die Aufgabe übernehmen wolle, für die persönliche Sicherheit seines Managers zu sorgen.
Dies war nicht der Beginn einer langen Freundschaft, aber eines erfolgreichen Krisenmanagements. Mr. Goonda fühlte sich geschmeichelt und übernahm den Job. Auch wenn er nicht plötzlich die Seiten gewechselt hatte, war er nun sehr viel umgänglicher, als zu erwarten gewesen wäre. Da er darüber hinaus eine der Schlüsselfiguren unter den Mitarbeitern war, trug er außerdem direkt dazu bei, das Vertrauen der Belegschaft in den neuen General Manager zu gewinnen und die hauptsächlich auf "Incentives" beruhende neue Geschäfts- und Personalpolitik mitzutragen, die das Unternehmen schließlich aus der Krise holte und vor dem wirtschaftlichen k.o. rettete.
Wat lernt uns das?
Nun, Mr. Vashta hat sich einem schwierigen Gegner gestellt, anstatt ihm auszuweichen. Indem er dies gleich zu Beginn seiner Tätigkeit tat, hat er sich gleichzeitig auf das Hauptproblem konzentriert, anstatt sich zu verzetteln und erste Angriffsflächen zu bieten.
Nicht irgendeine Organisation, eine anonyme Gewerkschaft, sondern die Schlüsselfigur in Person war Ziel seiner Bemühungen.
Er hat einen ernst zu nehmenden Gegner nicht attackiert, sondern mit einer unerwarteten Aktion überrascht und erfolgreich auf seine Seite gebracht.
Er hat eine persönliche menschliche "Schwäche" offenbart, den "Gegner" um Hilfe gebeten und so das Vertrauen seinen Gesprächspartners zunächst auf einem Nebenschauplatz gewonnen und nicht auf dem “Schlachtfeld Tagesgeschäft”.
Und vielleicht als wichtigster Punkt eine Frage der Ethik und der Nachhaltigkeit seines Erfolgs:
Mr. Vashta tat dies nicht aus taktischen Gründen nach dem Motto "Der Zweck heiligt die Mittel", um die betroffenen Menschen zu manipulieren, einen Keil zwischen die Beteiligten der anderen Seite zu treiben und das gewonnene Vertrauen später zu missbrauchen. Es war ihm bewusst, dass ein Missbrauch seiner hervorragenden Menschenkenntnis, wenn überhaupt, nur kurzfristigen Erfolg erzielen würde. Für ihn war es Lebenseinstellung und ein Mosaikstein in seinem Konzept, Menschen mit Bescheidenheit und Respekt zu behandeln und "ganz nebenbei" zu wirtschaftlichem Erfolg des Unternehmens und damit wiederum zum gegenseitigen Vorteil zu verhelfen.