16 Hoppla - Bhai oder Bhaisahib?
Hoppla hier komm ich - wo stehen die Fettnäpfchen? (6)
Es lohnt sich, wenn man sich im Vorfeld einer internatonalen Begegnung mit ein paar Redewendungen und Höflichkeitstips wappnet. Wenn meine Sprachkenntnisse nicht ausreichten, habe ich mich meistens bemüht, wenigstens eine Anrede und einige “Eröffnungssätze” hinzukriegen. Die so Angesprochenen reagieren i.d.R. wesentlich freundlicher und hilfreicher, wenn sie mit ein paar Worten ihrer Landessprache adressiert werden, selbst wenn man dann die eigenen sprachlichen Unzulänglichkeiten offenbaren muss und dann z.B. auf Englisch umschaltet. Manchmal eröffnen sich dadurch ungeahnte Möglichkeiten:
Während wir auf Deutsch nicht einmal eine zeitgemäße “neutrale” Form der Anrede besitzen (Wer sagt denn heute noch “mein Herr” oder “gnädige Frau”, und die Anrede “junger Mann” für einen älteren Herrn mit grauen Schläfen, wie man sie gelegentlich hört ist eher eine Verlegenheitslösung), geht es auf französisch mit “Pardon, monsieur” oder im Englischen mit einem “Excuse me, madam” schon einfacher. Dabei sind andere Sprachen noch sehr viel differenzierter. Ein ganzes Arsenal steht dem Kommunikationswilligen z.B. in Hindi zur Verfügung, um mit der Anrede unterschwellig sehr subtile Feinheiten zu signalisieren:
Ein dem Namen nachgestelltes …ji (”Gandhiji”) oder …rao (”Jayantrao”) signalisieren Respekt, dem Angesprochenen gegenüber, ein “Bhai” (= Bruder) eher Vertrautheit und Gleichstellung, “Bhaisahib” (= älterer Bruder) ebenfalls Vertrautheit mit einem Quäntchen Respekt ausdrückt, während ein “Babuji” (von “Baba” = Vater) immer noch Vertrautheit, verbunden mit großem Respekt vor dem Alter zeigt. Das aus Hollywoodfilmen hinreichend bekannte “Sahib” (= Herr) bezieht sich durchaus nicht nur auf den weißen Sahib der Kolonialzeit, sondern signalisiert z.B. in Verbindung mit dem Namen (z.B. “Dagarsahib”) großen Respekt. Dabei ist für uns durchaus ungewohnt, dass viele der aus Verwandschaftsbezeichnungen stammende Anreden ganz selbstverständlich gegenüber völlig Unbekannten benutzt werden. Dass es gleiches natürlich auch für weibliche Anreden gibt, versteht sich fast von selbst. (Behén (= Schwester), Behénji (= ältere Schwester), Mataji (= Mutter), Memsahib (= Frau, jedoch eher im Sinne von Herrin) etc.
Wat lernt uns das?
Im Rahmen einer interkulturellen Zusammenarbeit ist es oft schwer, das Eis zu brechen. Heimliche oder offene Bewunderung und Verachtung der jeweils anderen Kultur und deren Vertreter gehen nahtlos einher mit Minderwertigkeitsgefühlen oder Nationalstolz. Vorurteile, Angst vor dem Unbekannten oder einfach nur die Hemmung, eine fremde Sprache zu benutzen, können versteckte Hemmnisse zu einer offeneren Kommunikation sei. Für mich war es immer wieder erstaunlich und erfreulich zugleich, mit wie wenig Aufwand es möglich ist, eine freundliche Atmosphäre zu schaffen. Ein paar interessierte Fragen, ein paar alte Geographiekenntnisse, hervorgekramt aus zurückliegenden Schultagen, ein paar aufgeschnappte Redewendungen aus der Muttersprache des Geschäftspartners oder Kollegen wirken oft Wunder. Niemand erwartet, dass man sich nach ein paar Monaten Landesaufenthalt fließend in Yoruba oder Portugiesisch unterhält. Ein paar Begrüßungsworte in Französisch, ein paar Dankesworte in Türkisch oder eine angemessene Anrede in Hindi bewirken oft Wunder.