43 Erfolg durch Skrupellosigkeit
Manche Bauherren "vergessen" ganz gerne die öffentlich-rechtliche Verbindlichkeit der HOAI, wenn es darum geht, ein paar Euro am Architektenhonorar einzusparen. Das funktioniert auch so lange gut, solange der Partner mitspielt. Aber manchmal ändert sich ein zu Beginn gutes Arbeitsklima oder es kommen ganz andere, unerwartete Faktoren hinzu. Dann treten anstelle mündlicher Vereinbarungen und Loyalität nur noch schriftliche Verträge und Rechtspositionen.
In einem meiner Projekte, über 100 Mio. Euro schwer, hatte der Bauherr mit dem zuständigen Partner eines großen, renommierten Architekturbüros vereinbart, die gesamte Baugrube von der Honorarfrage auszuklammern, da diese ausschließlich vom Tragwerksplaner geplant und überwacht wurde. Da meine Beauftragung als Projektsteuerer zu einem späteren Zeitpunkt erfolgte, erfuhr ich hiervon erst, als es zu spät war. Das Projekt näherte sich nach mehreren Jahren dem Ende - ebenso wie die Partnerschaft des Architekten, der aus Altersgründen seine Mitarbeit im Architekturbüro beendete. "Was kümmert mich die verbrannte Erde, die ich hinterlasse", mag er wohl gedacht haben. "Den Batzen nehme ich noch mit!" Es ging um den Honoraranteil für die Baugrube, die mit Verbau, Wasserhaltung etc. immerhin rund 12 Mio. Euro Baukosten verursachte. Der Bauherr lehnte mit Hinweis auf die mündlichen Vereinbarungen ab. Es kam zum Rechtsstreit, bei dem es ausschließlich um die Frage ging, ob die Baugrube formell den anrechenbaren Kosten zuzuordnen war oder nicht. Das Gericht entschied zugunsten des Architekten, Pech für den Bauherrn.
Wat lernt uns das?
"Zuerst kommt das Fressen, dann die Moral." Hätte der Bauherr diesen Rat von Bertold Brecht beherzt, wäre ihm vielleicht nicht die Zahlung, mit Sicherheit jedoch die menschliche Enttäuschung erspart geblieben. Vielleicht hätte sich die Angelegenheit auch juristisch sauber regeln lassen. Aber das Wort und der Handschlag in guten Zeiten sind oftmals nichts mehr wert, wenn sich die Umstände ändern.
Jeder Bauherr bekommt von mir außer einer regulären, d.h. HOAI-konformen Honorarberechnung auch eine Warnung (und bei Bedarf auch die obige Geschichte) mit auf den Weg. Solange der Architekt mitspielt, mag eine Unterschreitung der HOAI möglich sein. Aber wehe, wenn man sich gegen Ende des Projekts nicht mehr so gut verträgt wie zu Beginn, oder wenn der Architekt vielleicht sogar bewusst von der HOAI abweichende Regelungen in Kauf genommen hat, um sich das Projekt zu sichern. Dann zählen möglicherweise nicht einmal mehr schriftliche Vereinbarungen. Dann zählt u.U. nur noch die HOAI. Das sollte jedem Bauherrn bewusst sein, dem ein reguläres Architektenhonorar zu teuer erscheint. Er spielt mit dem Feuer!