15 Hoppla - Eine Frage der Ehre
Hoppla hier komm ich - wo stehen die Fettnäpfchen? (5)
Während einer Studienreise verließ ich zusammen mit einer Gruppe Studenten morgens zwischen vier und fünf Uhr ein kleines Hotel irgendwo in Asien. Neben dem Ausgang lag das Zimmer eines französischen Touristenpaars, das durch das Geschnatter und den Lärm, den die Studenten verursachten, gestört wurde. Mehrfach kam der Franzose aus dem Zimmer und während er sich zu Beginn freundlich und zurückhaltend äußerte, wurden seine Beschwerden von Mal zu Mal nachdrücklicher. Seine Beschwerden verpufften jedoch nicht zuletzt deswegen, weil ständig neue Studenten hinzukamen, die das Vorspiel nicht mitbekommen hatten.Als schließlich ein Professor auftauchte, der die Studenten begleitete, war die Stimmung des Touristen bereits “auf 180″ und, obwohl sich dessen Äußerungen gar nicht auf den Professor bezogen, fühlte dieser sich durch die nunmehr erregt hervorgebrachten Worte dermaßen beleidigt, dass er nicht nur seinerseits zu schimpfen begann, sondern, während die Situation ich aufschaukelte, sich auf ein Gerangel einließ und plötzlich sogar eine Pistole zog. Plötzlich war der Eingangsbereich “studentenfrei” und wahrscheinlich nur durch das beherzte Eingreifen eines Armeeingenieurs und mir, die wir dem tobenden Professor das volle Magazin entwinden konnten, wurde Schlimmeres verhindert (Später stellte sich heraus, dass der Franzose unbewusst alte anti-koloniale Gefühle bei seinem Gegenüber geweckt hatte, die zu diesem Ausbruch führten).
Eine andere Episode ereignete sich ebenfalls auf einer Reise in Asien. Während der Platten an meinem Motorrad in einem Dorf repariert wurde, umlagerten meine Frau und mich etwa 150 bis 200 freundliche, neugierige Augenpaare, ganz wie immer bei solchen Anlässen. In der Mitte der Menschenmenge stand diesmal jedoch ein hochgewachsener Mann mittleren Alters, der gelegentliches Gelächter der Menge hervorrief, indem er auf nicht sehr schmeichelhafte Weise über uns, insbesondere meine Frau herzog, die wohl mit ihren kurzen Haare und bekleidet mit Hosen nicht so den lokalen Gepflogenheiten entsprach.Ich konnte und wollte das nicht unwidersprochen hinnehmen und, nachdem wir abreisebereit waren, fixierte ich den Burschen aus der Menge heraus und machte einige ironische Bemerkungen über ihn und seine Frechheiten. Der Effekt war durchschlagend. Plötzlich hatte ich die Lacher auf meiner Seite. Mein “Kontrahent”, plötzlich isoliert und bloßgestellt, rastete aus. Nach einigen Beschimpfungen, auf die ich nicht mehr reagierte, ging er zu Drohungen über, er würde mich erschießen etc. etc. Sichtlich erregt verließ er den Platz und ich hielt es für das Beste, mich auf das Motorrad zu schwingen, das Dorf in der falschen Richtung zu verlassen und außer Sichtweite auf die richtige Straße zu wechseln, wo ich zunächst einmal eine ganze Stunde Vollgas gab. Wer weiß…
Wat lernt uns das?
Besonders große Fettnäpfchen warten auf den ungeschickten Fuß, wenn es im Rahmen der interkulturellen Zusammenarbeit um die Frage der Ehre geht. Eine verletzte Ehre kann nicht nur zu verbalen Auseinandersetzungen und Streit, sondern schnell auch zu physischer Gewalt und Tätlichkeiten führen.Das Gefährliche dabei ist die Tatsache, dass es sich erstens um ein hoch emotionales Thema handelt, das sich, zweitens, auch dem aufmerksamen Beobachter nicht ohne weiteres leicht offenbart. Darüber hinaus können wir vor unserem eigenen kulturellen Hintergrund diese Gefühlslage und deren Auslöser oft nicht so recht nachvollziehen, so dass wir von der für uns unerwarteten Reaktion leicht überrascht werden können.Ob es hierbei um Nationalstolz, Politik, Frauen-Männer-Themen, Religion, oder andere “sensible” Bereiche geht ist dabei recht unerheblich. Wichtig ist vor allem ein gehöriges Maß an Sensibilität und ein Gespür dafür, wo die Tretminen liegen könnten. Auch sollte man nicht allzu naiv in fremde Kulturen stolpern. In jeder Buchhandlung, im Internet oder auch bei offiziellen Stellen (IHK, Auswärtiges Amt, Internationale Hilfsorganisationen etc.) finden sich Ratgeber und Hinweise zu allen möglichen Fragen. Kommt man vor Ort unvermittelt mit Themen in Berührung, von denen man vermutet oder befürchtet, dass sie auf heiklem Terrain liegen könnten, habe ich gute Erfahrung damit gemacht, ggf. die eigene Unsicherheit zu erkennen zu geben und zu fragen. Wie oft war ich dankbar für den Rat eines guten Freundes oder eines wohlgesonnenen Kollegen, der mich in Kenntnis der lokalen Besonderheiten und meiner Unkenntnis vor den ganz großen Fettnäpfchen warnte, bevor ich mit beiden Füßen drin stand.