47 Verdammt!
Verdammt nochmal! Seit Tagen denke ich darüber nach, was mich dazu veranlasst hat, eine Lüge sofort und für mich absolut zweifelsfrei als solche bzw. als Bluff zu erkennen. Was war passiert?
Im Rahmen einer Fortbildung nehme ich an einer Verhandlungsübung mit einem recht komplizierten Sachverhalt unter halbwegs realistischen Bedingungen teil. Die Verhandlung findet in einem kleinen Team statt und läuft trotz bewusst konfliktträchtiger Rahmenbedingungen - schließlich sollen wir ja üben - recht fair und konstruktiv ab. Die eingebauten Klippen, die Misstrauen säen und Streit provozieren sollen, können wir im Gespräch ganz gut umschiffen bis es zum Schluss noch einmal um Geld geht. Die beiden Teams kennen natürlich die Vorgaben auf der anderen Seite nicht. Der Verhandlungspartner legt seine finanziellen Forderungen auf den Tisch und jetzt wird es spannend: Obwohl es keinen äußeren Anlass gibt, zumindest keine Signale, die ich bewusst wahrnehmen kann, ahne, nein, weiß ich sofort, dass der Verhandlungspartner blufft. Während wir vorher in einer Atmosphäre des Vertrauens und der Offenheit verhandelt hatten, schrillen jetzt die Alarmglocken.Um für sein Team das Beste herauszuholen, hat der Verhandlungsführer der gegnerischen Mannschaft die Vorgaben seiner Übungsinstruktionen weit überschritten und völlig überzogene finanzielle Forderungen gestellt. Da es sich nur um eine Übung handelt, haben wir hinterher die Gelegenheit, unsere Taktik und unsere Aktionen offenzulegen - und siehe da, mein Gefühl hat mich nicht getrogen. Grinsend bestätigte unser Widersacher den Versuch, uns über den Tisch zu ziehen. Er wirkte bei dieser Aktion eigentlich genau so souverän und ruhig, wie bei allen anderen Verhandlungspunkten. Aber irgendetwas muss doch anders gewesen sein. Wieso nur war mir der Bluff sofort klar? Bis heute habe ich keine Antwort darauf.
Wat lernt uns das?
Die Übung ist mir Bestätigung und Warnung zugleich. Bestätigung dafür, dass wir oft ein untrügliches Gefühl dafür haben, dass etwas nicht stimmt. Eine innere Alarmanlage, die uns schützt und vor Fehlern warnt, ohne dass uns die Gründe dafür notwendigerweise bewusst sind. Auch die intensive Beschäftigung mit Intuition, somatischen Markern und Körpersprache liefert uns oft keine rational erfassbaren Hinweise, was es nur ist, dass uns vorsichtig macht. Gleichzeitig ist es eine Bestätigung dafür, den inneren Gefühlen Beachtung zu schenken, auch wenn sie sich dem rationalen Zugang entziehen. Bestätigung auch dafür, dass ein Täuschungsversuch aufgrund der empathischen Fähigkeiten des Gegenübers möglicherweise sofort und unmissverständlich Alarm auslösen kann und die eigene Glaubwürdigkeit untergräbt. Lohnt es sich wenigstens? Dies ist nicht nur eine Angelegenheit des persönlichen Vorteils, sondern vor allem eine ethische Frage, die jeder für sich selbst beantworten mag.