42 Erfolg durch Geduld
Mr. B.L. Vashta, Multitalent, hervorragender Netzwerker und Kommunikationsgenie, pflegte mit vielen interessanten Menschen unverbindlich Kontakt zu halten, ohne einen unmittelbaren Nutzen zu erwarten. Wenn ihm auffiel, dass einer seiner zahlreichen Kontakte Interessen verfolgte, zu denen ein anderer irgendeinen Bezug hatte oder einen Beitrag leisten konnte, brachte er die beiden in Kontakt. Nein, nicht etwa, um selbst irgendeinen Vorteil daraus zu schöpfen oder gar Provisionen einzuheimsen. Nein, einfach nur so. Gelegentlich wurde Mr. Vashta so zum Geburtshelfer längerfristiger Beziehungen geschäftlicher Art oder akademischer Natur. Oft genug stand er auch nach einer erfolgreichen "Vermittlung" den Partnern mit Rat und Tat zur Seite und wurde so zum geschätzten Berater und Mentor vieler Menschen. Viele Treffen dieser Art hatten keinen anderen Zweck, als sich zu bestimmten Themen über einigen Tassen Tee auszutauschen, über gemeinsame Themen zu fachsimpeln und den Kontakt zu pflegen ohne dass einer der Gesprächspartner ein bestimmtes Ziel verfolgte.
Nennen Sie es Altruismus, Philanthropie, wie auch immer. Mr. Vashta war halt ein freundlicher Mensch und er liebte die Menschen. Obwohl der eigene Nutzen bei vielen seiner Aktionen nicht einmal ansatzweise im Vordergrund stand, wirkten sie sich dennoch langfristig vorteilhaft für ihn aus. Eines konnte und wollte Mr. Vashta nämlich nicht verhindern: Die Menschen, die er in Kontakt brachte, behielten ihn immer in positiver Erinnerung. Vielleicht war das der Grund, warum Mr. Vashta in seinem ganzen Leben keine einzige Bewerbung schrieb. Immer gab es jemanden, der sich nach Jahren z.T. sporadischer Kontakte an seine Person und seine Fähigkeiten erinnerte und mit einem Vorschlag auf ihn zukam, doch die ein oder andere Position zu übernehmen. Nach seinem Studium der ayurvedischen Medizin übernahm er zunächst die Leitung einer pharmazeutischen Firma für ayurvedischen Produkte, betätigte sich als Journalist und Schriftsteller, übernahm das Management einer Tageszeitung, wurde Marketing- und Exportberater für verschiedene Firmen und Produkte und erfreute sich bis zu seinem Lebensende zahlreicher wohlwollender Freunde und sehr erfüllender und abwechslungsreicher Tätigkeiten.Diese Art des zwanglosen, unverkrampften Kontakts mit Menschen ähnlicher Interessen und Denkweisen hat mich sehr beeindruckt und sicher auch beeinflusst. Ich erinnere mich an einen der Direktoren einer großen Bank, den ich bei irgendeiner Gelegenheit, längst vergessen, kennengelernt hatte. Wir waren uns offensichtlich nicht unsympathisch und trafen uns in größeren Abständen. Manchmal sahen wir uns fast ein ganzes Jahr nicht, telefonierten gelegentlich, unterhielten uns über die Marktsituation, fachsimpelten über Baukosten und Projektsteuerungsthemen, trafen uns nach einigen Monaten wieder mal zu einem Kaffee, mal zu einem gemeinsamen Mittagessen. Nie hatten diese Kontakte "Akquisitionscharakter", obwohl das gegenseitige Interesse nicht nur persönlicher sondern durchaus beruflicher Natur war.
Nach fünf oder sechs Jahren erfuhr ich, dass mein Gesprächspartner eine neue Position bei seiner Bank in einer nahe gelegenen Stadt eingenommen hatte. Ich rief ihn an und wir verabredeten uns zu einem Kaffee in seinem Büro. Das Treffen verlief ganz im Stile früherer Gespräche: Gemeinsame Themen, Plaudern über zwischenzeitliche Erfahrungen, laufende Projekte etc. Als wir schon zur Verabschiedung standen, meinte er eher beiläufig: "Gehen Sie doch mal runter zu Herrn So-und-so. Ich glaube, der hat das ein oder andere Problem mit einigen seiner Projekten. Vielleicht können Sie ihm ja helfen. Ich sage ihm Bescheid, dass Sie kommen." Ich ging hinunter und unterhielt mich noch eine Stunde mit "Herrn So-und-so". Innerhalb einer Woche hatte ich drei Verträge in der Tasche und über die nächsten Jahre wickelte ich ein gutes Dutzend weiterer Aufträge für die Bank ab. Hätte ich unsere früheren Treffen als "Klinkenputzen" betrachtet und nach ein paar Mal kein Ergebnis mitgenommen, ich wäre nach einiger Zeit vermutlich frustriert über die "vertane Zeit" gewesen und hätte den Kontakt nicht weiter verfolgt.
Wat lernt uns das?
Schnelle Erfolge sind schön, schnelle Erfolge sind gut. Aber es gibt auch etwas anderes. In der asiatischen Philosophie gibt es die geistige Haltung, etwas "absichtslos" zu erreichen. Der Bogenschütze will natürlich das Ziel treffen und ist daher nicht wirklich absichtslos. Aber seine innere Einstellung ist nicht geprägt von verbissenem Ehrgeiz, der zu körperlichen Verspannungen führt und genau das verhindern, was der Schütze beabsichtigt, das Ziel zu treffen. Erst die Ruhe, der Verzicht auf hektischen Aktionismus, eine innere Selbstsicherheit, die keiner äußeren Bestätigung und keiner schnellen Erfolge bedarf, führt zu der Gelassenheit, die letztlich doch zum Ziel führt.