46 Eine Frage des Blickwinkels
Jeder kennt die Frage nach dem halb vollen oder halb leeren Glas. Viele Dinge im Leben ändern ihre Bedeutung, wenn man nur den Betrachtungswinkel ändert.
Ich sitze in der Ecke eines gemütlichen Cafés in Berlin und nutze die Zeit bis zum Abflug meiner Maschine, um noch an einem Bericht zu schreiben. Neben meinem Laptop eine Tasse Kaffee und ein fettes Stück Kuchen. Ein Mann am Nebentisch meint, mich bemitleiden zu müssen. "Ich bedauere Sie" meint er. "In so einer schönen Atmosphäre müssen Sie arbeiten statt das Leben zu genießen". Ich lasse mich auf ein kurzes Gespräch ein und antworte: "Das Gegenteil ist der Fall. Ich habe die Freiheit in dieser schönen Umgebung arbeiten zu dürfen, statt in einem stickigen Büro mit einem muffligen Chef zu sitzen. Und wenn ich heute Abend nach Hause komme, habe ich mein Tagespensum bereits erledigt und kann meine Freizeit ungestört genießen. Ich sitze nicht in einer ungemütlichen Flughafenlounge, sondern in diesem wunderbaren Café, bei Kaffee und Kuchen und bei einer netten Unterhaltung. Was will ich mehr?".
Gelegentlich kommt der ein oder andere Mitarbeiter zu mir ins Büro und jammert. "Zu viele Probleme im Projekt". Ich habe darauf eine Standardantwort: "Wenn es diese Probleme nicht gäbe, gäbe es diese Firma und diesen Job nicht. Die Probleme sind keine Störungen eines bequemen Projektablaufs, sondern unsere Aufgabe. Wir werden dafür bezahlt, Probleme zu beseitigen." Normalerweise ernte ich dafür ein verlegenes Grinsen und ein zögerliches "Na ja, eigentlich haben Sie ja recht".
Wat lernt uns das?
So wie mit den beiden geschilderten Beispielen verhält es sich mit vielen Dingen im Berufsleben. Erst ein negativer Blickwinkel macht eine Aufgabe zu einem Problem. Eine positive Einstellung zu den Widrigkeiten des Berufslebens (gleiches gilt natürlich auch für den privaten Bereich) kann dazu beitragen, den persönlichen Stress zu reduzieren und gelassener durchs Leben zu gehen. Natürlich gelingt dies nicht immer. Aber jedes Mal, wenn ich eine Störung als Herausforderung und ein Problem als Aufgabe betrachten kann, ist es mir gelungen meine Lebensqualität ein Stückchen zu verbessern und die trübe, graue Novemberstimmung zu vertreiben.
Versuchen Sie's einmal!